Mit zwischenzeitlichen Aussetzern bin ich jetzt seit etwa einem halben Jahr dabei, mich (nicht ganz perfekt) vegan zu ernähren. Dieses letzte Quäntchen hin dazu komplett „perfekt“ vegan zu sein werde ich wahrscheinlich nie schaffen, aber dazu vielleicht später mehr.
Ich habe vor, in diesem und einer Serie folgender Beiträge meine Beweggründe und Erfahrungen weiter auszubreiten. Mal sehen, ob ich es schaffe das auch wirklich mal zu Ende zu bringen oder ob auch dieses Vorhaben nur halbfertig liegen bleibt, neben diversen angefangen App-Ideen, meinem nach einem Semester abgebrochenen Wiwi-Studium, anderer Blog-Serien usw;-)
Bevor ich loslege noch der obligatorische Hinweis, dass ich nur meine eigene Meinung und Erfahrungen vertrete, nicht die Weisheit für mich gepachtet habe und gerne auch noch dazu lerne.
Gründe für vegane Ernährung
Vegetarisch ernähre ich mich schon seitdem ich ein Kind bin, wobei ich weder den genauen Zeitpunkt noch die damaligen Gründe noch genau in Erinnerung habe. Es war wohl hauptsächlich Ekel bei der Vorstellung, tote Tiere zu essen. Diesen Grund finde ich eigentlich weiterhin ziemlich nahe liegend, aber mittlerweile fallen mir auch noch ein paar mehr ein:-)
Tierleid
Ein anderes Lebewesen zu töten, um sein Fleisch zu essen, ist ziemlich offensichtlich nicht besonders nett, solange man diesem Lebewesen nicht die Fähigkeit zum Empfinden von Schmerz und Gefühlen abspricht. Im Fall der wichtigsten Nutztiere wie Schweinen, Rindern und Hühnern wird das wohl kaum jemand tun. Trotzdem werden diese Tiere in viel zu engen Stallungen gehalten, mit Rekordtempo auf Schlachtgewicht gebracht und schließlich „am Fließband“ umgebracht, damit Menschen das Fleisch dieser Tiere essen können. Aus meiner Sicht steht der hedonistische Nutzen (Lustgewinn, Geschmack…), den der Mensch durch den Verzehr dieses Fleischs hat in keinem Verhältnis zu dem Leid, dass er bei dem Tier damit verursacht. Wäre Fleisch für die menschliche Ernährung tatsächlich notwendig, wäre das eine andere Sache, das wird wohl kaum jemand ernsthaft behaupten.
Als Vegetarier war ich allerdings bisher nicht konsequent, wenn es darum ging durch meine Ernährung ausgelöstes Tierleid soweit möglich zu vermeiden. Schließlich werden auch Milch und Eier nicht hergestellt, ohne Tiere dabei zu quälen und zu töten:
- Jedes zweite Küken das schlüpft ist ein Männchen, und die legen keine Eier – folglich haben sie in der industriellen Landwirtschaft keinen Wert. Also werden diese gelben Federbällchen gleich nach dem Schlüpfen vergast oder geschreddert
- Genau wie Frauen geben Kühe nicht einfach so Milch, erstmal müssen sie ein Baby bekommen. Damit die Milchproduktion nicht versiegt, werden die Tiere jedes Jahr erneut künstlich befruchtet. Diesen Vorgang als Vergewaltigung zu bezeichnen ist meines Erachtens nach nicht abwegig. Und da wir die Milch, die die Natur ja eigentlich für Kälber vorgesehen hat, selbst trinken möchten, muss das Kalb möglichst bald nach der Geburt von seiner Mutter getrennt werden. Ich bin kein Fachmann in Tierpsychologie, aber es erscheint mir intuitiv, dass das zu erheblichen emotionalem Leid bei Mutter und Kind führt.
- Grundsätzlich werden die Tiere auf viel zu engem Raum gehalten, schließlich ist das maximal effizient – solange man das Wohlbefinden der Tiere nicht als Faktor sieht. Das führt natürlich dazu, dass die Tiere kein artgerechtes Leben führen können. Und genauso grundsätzlich wird in der industriellen Landwirtschaft ein Tier, dass nicht mehr produktiv ist, getötet. Eine Legehenne oder Milchkuh bekommt keine Rente.
Klimaschutz und Ressourcenverbrauch
Ziemlich intuitiv ist klar, dass es effizienter ist, wenn ich selbst Mais oder Sojabohnen esse, statt diese an andere Tiere zu verfüttern und dann ihr Fleisch, ihre Milch oder ihre Eier zu essen. In einer Welt mit endlichen Ressourcen ist das ein wichtiges Argument gegen die allermeisten Ausprägungen der Nutztierhaltung. Die individuelle Klimabilanz und der Wasserverbrauch jedes einzelnen Konsumenten hängt sicherlich auch davon ab, was man genau zu sich nimmt. Wenn man sich von Flugobst, großen Mengen an z.B. Mandeln oder exotischen Superfoods ernährt, ist es wohl möglich auch als Veganer ein ganz schlimmer Umweltsünder zu ein, aber durch den Verbrauch von Tierprodukten fällt das nochmal deutlich leichter. Laut einer Einschätzung der Organisation Worldwatch ist die Nutztierhaltung für die Hälfte aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.
Hinzu kommt der Ausstoß von klimaschädlichen Methangas durch Kühe, die hohe Nitratbelastung in Boden und Grundwasser in Regionen mit viel Nutzttierhaltung (Zum Beispiel im westlichen Niedersachsen) und die Problematik, dass in der intensiven Nutztierhaltung die Antibiotika in Rauen Mengen gegeben werden, was zu resistent Erregern führt, die früher oder später auch auf den Menschen überspringen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schreibt etwa:
Im Rahmen der Lebensmittelgewinnung können resistente Keime aus der Tierproduktion auf Lebensmittel, z.B. Fleisch oder Milch, übertragen werden. Über Lebensmittel, aber auch durch direkten Tierkontakt, können resistente Erreger auch zum Verbraucher gelangen und unter Umständen Infektionen beim Menschen auslösen.
Multiresistente Keime sind ein wirkliches Problem, an dem jetzt schon hundertausende Menschen sterben. In Wikipedia steht zu Thema Antibiotika etwa:
Die Zahl der jährlich neu auf den Markt kommenden Antibiotika geht kontinuierlich zurück. Dies ist als bedenklich anzusehen, da andererseits Antibiotikaresistenzen ständig zunehmen.
Ernährungsgerechtigkeit
In einer Welt, in der immer noch Menschen hungern, ist es schwer zu rechtfertigen, wenn Nahrungsmittel, oder auch die Fläche, die zur Produktion von Nahrungsmitteln dienen könnte, zur ineffizienten Produktion von Luxusgütern wie Fleisch verwendet wird, statt direkt denen zu Gute zu kommen, die Hunger leiden. Nun ist mir bewusst, dass dieses Verteilungsproblem viele Ursachen hat und keine ganz einfachen Lösungen, aber trotzdem bin ich überzeugt, eine Reduktion des Fleischverbrauchs auch hier eine Verbesserung bringen würde.
Gesundheit
Gute moralische Gründe für vegane Ernährung zu finden ist nicht schwer, aber deswegen seiner eigenen Gesundheit zu schaden, das ginge sicherlich den meisten Leuten zu weit. Ich selbst bin natürlich auch kein Märtyrer und hoffe, ein möglichst langes und gesunden Leben führen zu können. Zum Glück gibt es hier, soweit ich meiner Recherche und (bisheriger) persönlicher Erfahrung glauben kann, keinen Interessenskonflikt.
Es stimmt, dass einige wichtige Nährstoffe wie Vitamin B12, EPA&DHA oder Vitamin D über eine rein pflanzliche Ernährung schwerer zu bekommen sind. Aber erstens ist es nicht so, dass man als Omnivor zwangsläufig frei von Mangelversorgung ist, und zweitens kann man ja fehlende Vitamine oder Spurenelemente über Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Vor kurzem habe ich jedenfalls einen Bluttest beim Hausarzt machen lassen und der kam ohne Auffälligkeiten zurück. Die Kosten wurden komplett von der Krankenkasse übernommen.
Das Argument mit dem Mangel an dem einen oder anderen Vitamin führt die vegane Ernährung aber in die Defensive, Zeit für einen Tempogegenstoß! Die Schädlichkeit vieler tierischer Produkte ist teilweise erwiesen, teilweise ist die Beweislage noch unklar – eine Auswahl:
- Verarbeitetes Fleisch gilt als krebserregend – diese Erkentniss kann zum jetzigen Stand als ziemlich sicher gelten
- Bluthochdruck und andere Herz-Kreislauf Erkrankungen treten bei Fleischessern zu einem höheren Maße auf, genauso wie Übergewicht.
- Tierisches Eiweiß erhöht auch das Risiko von Diabetes und belastet die Nieren.
- Ob Milch jetzt Entzündungen fördert, uns mit krankmachenden Hormonen vollpumpt oder einfach nur eine total gesunde Kalziumbombe ist, darüber gibt es wohl noch keinen Konsens. Dieser kurze NDR-Artikel fasst die Ambivalenz wohl ganz gut zusammen.
Ich kann allerdings aus meiner eigenen Erfahrung (n=1) sagen, dass meine monatelang dezent schwelgenden Schmerzen an der Schulter (Entzündung?) einige Wochen nach der Abkehr von Milchprodukten verschwunden sind und seitdem auch nicht wiedergekommen sind. Zufall? Vielleicht.
Bei der Frage „Ist Fleisch/Mich/Ei gesund?“ bekommt man diverse, sich widersprechende Meinungen, persönliche Erfahrungen, wissenschaftliche Studien und Medienberichte. Was soll man glauben?
Bei den gesundheitsbezogenen Informationen neige ich, mit einer gewissen Skepsis, eher den Argumente der Pro-Vegan Fraktion zu folgen. Einerseits sicherlich, weil man grundsätzlich empfänglicher ist für Argumente, die der eigenen Sichtweise entsprechen. Andererseits glaube ich schon, dass an dem Argument was dran ist, dass die Fleisch-/Milch-/Aggrar-Lobby ihre Finger im Spiel hat, indem zum Beispiel wissenschaftliche Studien direkt von Milch- oder Fleischproduzenten finanziert werden, so dass von unabhängiger Wissenschaft bei vielen Studien nicht wirklich gesprochen werden kann. Eine vergleichbar mächtige und finanzstarke Interessensgruppe gibt es auf der „Gegenseite“ meiner Einschätzung nach nicht.
Durch eine vegane Ernährung isst man natürlich nicht automatisch gesündere Lebensmittel. Aber wenn man nicht auf eher ungesunde „Ersatzprodukte“ (veg. Käse, Wurst, usw.) sondern auf viel Gemüse setzt, isst man sicherlich besser als die meisten Allesesser. Ich zumindest fühle mich gesünder und habe seit meiner Ernährungsumstellung auch ein paar Kilo abgenommen. Aber jetzt ist auch gerade Sommer, es kann auch einfach daher kommen. Also beobachte ich das lieber noch weiter bevor ich mich zu großen Aussagen verleiten lasse. Mehr zu meiner persönlichen Erfahrung ist weiteren Posts geplant.
Moralische Überlegenheit
Nach all den hochtrabenden Argumenten, warum der Verzicht auf tierische Lebensmittel so gut ist, kommt das folgende Argument nicht ganz so edel daher: Ich möchte lieber auf der richtigen Seite der Geschichte sein, sozusagen lieber MLK als KKK. Wer weiß ob die Zukunft wirklich so aussieht wie in der Mockumentary Carnage dargestellt, aber so abwegig erscheint es mir gar nicht. Es fühlt sich gut an, wenn die eigenen Wertvorstellungen und Handlungen zumindest in diesem Aspekt meines Lebens zueinander im Einklang stehen – es gibt schließlich noch genug andere Baustellen, in denen ich ein besserer Mensch werden kann. Und ich gebe es zu, manchmal fühle ich ein gewisses Gefühl von Überlegenheit, wenn ich durch das Fenster auf die dicken, dummen und grausamen Menschen im Burger King oder KFC blicke. Das kannst Du auch!
Okay, vielleicht hätte ich diesen Aufruf an einer anderen Stelle platzieren können 😉 Aber Tatsache ist, weniger tierische Produkte zu sich zu nehmen den meisten von uns gut tun und unserem blauen Planeten ganz sicher. Ob man dabei versucht einfach den Konsum zu reduzieren oder ganz radikal jegliche tierische Produkte ablehnt ist eine Entscheidung die jeder selbst treffen muss. Ich persönlich finde es oft einfacher, klare Regeln (zum Beispiel „Zuhause wird nur vegan gekocht“) aufzustellen, anstatt bei jeder Mahlzeit neu mit mir zu ringen. Wie Tahina und ich uns da geeinigt haben und wo und wann ich selbst Kompromisse mache, dazu schreibe ich später nochmal etwas.
Ein Film, der uns beide sehr motiviert hat, heißt Hope for All und ist deutlich besser, als der käsige Titel vermuten lässt. Gibt es u.A. bei Amazon Prime.